CDU Marbach gibt kein Freibier aus!

In den Tagen vor dem Marbacher Bürgerfest wurde im Namen der CDU Marbach a.N. folgender Brief an die Haushalte der Stadt verteilt:
"Verehrte Bürgerin, verehrter Bürger,
Wir laden Sie herzlichst zum diesjährigen Bürgerfest am 28. und 29. Juni in unsere Marbacher Innenstadt ein. Am Samstag erfolgt wie üblich um 16 Uhr der Faßanstich durch Bürgermeister Herbert Pötzsch beim Marbacher Rathaus.
Man übertreibt wohl kaum, wenn man sagt, daß das Bürgerfest eine feste Einrichtung im gemütlichen Marbacher Stadtleben geworden ist. Und aus Anlaß des 25. Jubiläums haben wir uns etwas ganz besonderes für Sie ausgedacht: Jeder 10. Haushalt erhält von uns einen Freibier-Gutschein.
Dazu müssen Sie ganz einfach diesen Brief bei einem Stand Ihrer Wahl abgeben, und Sie erhalten dafür ein Freibier, die Kosten wird die CDU Marbach anschließend mit den einzelnen Ständen begleichen.
Wir freuen uns bereits jetzt auf Ihr Erscheinen am Marbacher Bürgerfest.

Es grüßt Sie freundlich

Ihre CDU Marbach"

 
Daraufhin erschien in der Marbacher Zeitung 4.7.1997 (Raus mit der Sprach) folgender Leserbrief:

 "CDU verteilt Alkoholgutscheine
Politiker sollten eigentlich als Vorbild vorangehen, meint eine Leserin, hat aber andere Erfahrungen gemacht:

 Ich bin als Mutter einer zwoelfjaehrigen Tochter entsetzt darueber, dass die CDU am Morgen des Buergerfestes Alkoholgutscheine verteilte. "Ein Freibier fuer jeden Haushalt" - als ob nicht schon der demonstrative Fassanstich zum Alkoholkonsum auffordern wuerde. Ich finde es katastrophal, dass CDU-Politiker so ein schlechtes Vorbild sind. Meine Tochter sieht Alkoholkonsum mittlerweile als etwas ganz Normales an. Als ich mir am Buergerfest ein Mineralwasser kaufte, war sie ganz entsetzt, dass ich meinen Biergutschein nicht einloesen wollte. Ich dachte bis jetzt immer, die CDU mache eine Politik, die sich konsequent gegen Drogen richtet.
Nun musste ich sehen, dass auch sie der Alkoholkonsum in keinster Weise schreckt. Eine erschreckende Erkenntnis bei steigender Alkoholabhaengigkeitsrate. Vor allem fuer Kinder ist der Alkohol oft die Einstiegsdroge auf dem Weg zu noch schlimmeren Drogen. Ich wuensche mir fuer unser Land Politiker, die konsequent mit gutem Beispiel vorangehen und die Jugendliche und Kinder nicht noch durch Alkoholgutscheine verfuehren.
Anna Schulz, Marbach"

 

 

Die CDU antwortet am nächsten Tag in einem Leserbrief (MZ 5.7. 1997)
"Biergutscheine nicht von der CDU

 Gegen die Anschuldigung einer Leserbriefschreiberin verwehrt sich der Stadtverband der CDU:
Die im Leserbrief von Anna Schulz aus Marbach geschilderten Freibiermarken sind nicht von der Marbacher CDU. Der CDU-Stadtverband Marbach hat keine Freibiermarken in Umlauf gebracht. Die CDU bedauert, dass dadurch Besucher und Vereine des Marbacher Buergerfestes Aerger und Verdruss erfahren mussten. Bis jetzt konnten wir noch nicht in Erfahrung bringen, wer diese gefaelschten Freibiermarken verteilt hat. Es ist leider nicht das erste Mal, dass die Marbacher CDU durch Faelschungen in Misskredit gebracht wird. Sei es bei den Grossveranstaltungen mit dem damaligen Bundesinnenminister Seiters durch gefaelschte Handzettel oder anlaesslich des Besuchs von Bundespraesident Herzog mit gefaelschten Etikettenaufklebern an zahlreichen Laternenmasten.
Roland Liebl, CDU-Ortsvorsitzender, Marbach"

 

 
Nun nehmen sich die Stuttgarter Nachrichten der Sache an. Es erscheint folgender Artikel:

 "Freibier ist nicht die Sache der Marbacher CDU
Mit gefaelschten Biermarken sorgten Unbekannte fuer Verwirrung beim Marbacher Buergerfest
(von Sascha Schmierer, Stuttgarter Nachrichten 8.7. 1997)

 Die Mutter war entsetzt, als ihre zwoelfjaehrige Tochter mit einem Gutschein fuer ein Glas Freibier daherkam. Verteilt wurden die Alkoholbons offensichtlich von der Marbacher CDU - als Gag zum Auftakt des Buergerfests. Das buergernahe Motto: "Freibier fuer jeden Haushalt". Entruestet schrieb die Mutter einen Leserbrief ans Lokalblatt. "Ich dachte immer, dass sich die Politik der CDU konsequent gegen Drogen richtet", wunderte sie sich ueber die neue Marschrichtung, die "Kinder und Jugendliche zum Alkohol verfuehre". Es sei schlimm genug, dass Stadtfeste trotz steigender Zahl von Alkoholikern per Fassanstich eroeffnet wuerden. 
Roland Liebl hat jetzt alle Muehe, die Wogen wieder zu glaetten. Er ist Vorsitzender des CDU-Stadtverbandes - und schwoert Stein und Bein, dass seine Partei die Freibiermarken nicht in Umlauf gebracht habe. "Die Marbacher CDU wurde wieder einmal durch eine Faelschung in Misskredit gebracht" verweist er auf eine ganze Reihe aehnlicher Faelle. Tatsaechlich hat die Kommunikationsguerilla den Christdemokraten schon oefters ein Schnippchen geschlagen. So tauchte bei einem Auftritt von Innenminister Rudolf Seiters gefaelschte Flugblaetter mit CDU-Emblem auf, auf denen die Veranstaltung kurzerhand verlegt wurde. Als Bundespraesident Roman Herzog die Schillerstadt besuchte, wurde mit fingierten CDU-Aufklebern befohlen, dem Staatsoberhaupt auch schoen zuzujubeln. Bei der Veranstaltung ueberreichten dann vermeintliche Vertreter der Jungen Union einen Teddybaer an den verdutzten Herzog.
Jetzt stifteten Unbekannte mit der Freibieraktion Verwirrung. Glaubhaft war der verteilte Gutschein durchaus. An CDU-Kreisrat Walter Bogner trat beim Buergerfest der Kassier der Landfrauen heran. Seine Frage:"Wer zahlt jetzt eigentlich das Freibier, das wir ausgeschenkt haben?" Ueber die Urheber der gefaelschten Bons koennen Bogner und Liebl nur raetseln. Sicher ist nicht einmal, ob die besorgte Mutter ueberhaupt existiert. Denn nach dem Namen "Anna Schulz", mit dem der Leserbrief unterzeichnet war, hat CDU-Mann Liebl in Marbach vergeblich gefahndet ..."

 
 
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