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autonome a.f.r.i.k.a.-gruppeBewegungsle(e/h)re? Anmerkungen zur Entwicklung alternativer und linker Gegenöffentlichkeit. Update 2.0.Obwohl die (radikale) Linke sich permanent selbst darüber vergewissert, welch toter Hund sie im Grunde genommen sei, will sie doch immer noch nicht ganz daran glauben. Derzeit unternehmen nicht wenige disputierende Zirkel einen Wiederbelebungsversuch unter dem Label 'Gegenöffentlichkeit'. Doch für uns besteht der Verdacht, daß die Roßkur des medialen (Dis)Kurses von vornherein zum Scheitern verurteilt ist, nachdem die Utopien abhanden gekommen sind.Die aktuellen Diskussionen zum Thema 'Gegenöffentlichkeit' erscheinen uns mit zwei Tendenzen eng verknüpft: dem generellen Lamento über die heutige Krise der linken Medien einerseits und den dazu kontrastierenden, mitunter fast euphorischen Hoffnungen auf die mit den neuen telematischen Kommunikationstechnologien (Internet) verbundenen Möglichkeiten. Im folgenden gehen wir zunächst der linken Version des Mythos von der 'Informationsgesellschaft' nach. Daran schließen sich zum zweiten einige Anmerkungen zur Rolle der alternativen und eigenen Medien in der 'Blütezeit' der sozialen Bewegungen an. Drittens versuchen wir, Konsequenzen für die Rekonstruktion eines politischen Projekts einer radikalen Linken zu umreißen, die sich vor dem Hintergrund der analysierten aktuellen Tendenzen im Bereich 'Gegenöffentlichkeit' ergeben. Medientheorie und Informationsfetisch Für die Frage nach der aktuellen Funktion der traditionellen Formen von Gegenöffentlichkeit erscheint zunächst ein Blick zurück und die Beschreibung der bisherigen Praxis hilfreich. In Anlehnung an Geert Lovink (1992) halten wir es für sinnvoll, die Medien der linken Gegenöffentlichkeit hinsichtlich ihrer Funktion idealtypisch in 'alternative' und 'eigene' Medien zu unterscheiden. 'Alternative' Medien spiegeln sich vornehmlich an den bürgerlichen Medien, indem sie beständig eine inhaltlich korrigierende und das bestehende Informationsspektrum ergänzende Aufgabe wahrnehmen. Dabei kam den 'alternativen' Medien vor allem bei der Bereitstellung abweichender Lesarten sozialer und politischer Widersprüche in den siebziger/achtziger Jahren eine wichtige Funktion bei der Bildung einer linksiberalen Öffentlichkeit zu. Davon zu unterscheiden ist die Schaffung 'eigener' Medien, die nicht mehr so sehr auf die Bewußtwerdung der anderen, sprich auf eine direkte Beeinflussung bis Bereicherung der allgemeinen 'Öffentlichen Meinung' setzen. Der eigentliche Unterschied zu den 'alternativen' Medien besteht dabei in der Art und Weise der Selbstpositionierung auf politischem Terrain, die sich nicht nur inhaltlich in explizit linken Stellungnahmen und Diskussionen äußert, sondern auch durch das Aufgreifen subkultureller Themen und Codes. Auf Szenen und subkulturelle Orte bezogen stellen 'eigene' Medien gewissermaßen Orientierungspunkte der dortigen sozialen Praxis bereit. Dabei kommt ihnen primär eine Identitäten und Binnendiskurse stabilisierende Funktion zu. Zwar bewegen sich die 'eigenen' Medien in einem durch Slang und Gangart ihrer subkulturellen Basis eng begrenzten Raum, doch funktioniert hier andererseits der Austausch zwischen Publikum und Macherinnen noch am besten. Bei dieser Betrachtung wird deutlich, daß die sozialen Beziehungsrahmen und die außermedialen politischen und kulturellen Praxen, in die sich linke Medien einordnen, einen zentralen Stellenwert für die Einschätzung ihrer Funktionsweise haben. Die Bedeutung dieses Bezugs wurde aber in den Diskussionen um linke Gegenöffentlichkeit weitgehend außer acht gelassen, solange überzogene Vorstellungen von den Möglichkeiten einer medialen linken Intervention in die bürgerliche Öffentlichkeit dominierten. Es wurde, zugespitzt formuliert, davon ausgegangen, daß nur genug Aktivistinnen an möglichst vielen Stellen Gegenöffentlichkeit herstellen müßten, wodurch dann irgendwann eine gesellschaftsverändernde Kettenreaktion ausgelöst würde. Eine Vielzahl linker Medienprojekte stellte sich aus dieser Logik heraus die Aufgabe, die in den bürgerlichen Medien unterbliebenen Nachrichten zu verbreiten. Diese Konzeption von 'Gegenöffentlichkeit' bezeichnet Lovink als 'Megaphonmodell', denn sie unterstellt unausgesprochen einen kausalen Zusammenhang zwischen Information, Bewußtsein und Handeln. Dahinter steht die Vorstellung einer manipulativen Medienwirkung, derzufolge es ausreicht, im Kommunikationskanal die 'falschen' Ideen durch die 'richtigen' zu ersetzen: Wenn die Menschen nur lange genug 'die Wahrheit' hören, werden sie irgendwann ihre Meinung ändern und sich gegen die (sie be)herrschenden Verhältnisse wenden. Diese klassische Konzeption zur Schaffung von Gegenöffentlichkeit kann sich auf Theoretiker wie Hans Magnus Enzensberger und eine langerprobte Praxis berufen. Sie nährt im Glauben an die Wirkung von richtigen Informationen die Überzeugung, daß es genüge, wenn die Linke die Sendezentralen der Massenmedien übernähme bzw. über ausreichend starke eigene Medien verfüge, um ihren Ideen Plausibilität und Durchschlagskraft zu verleihen. Ein derartiges politisches Konzept, das darauf abzielt, Handeln durch die Massivität von Information zu bewirken, versteht die Medien letzten Endes als Manipulationsinstrument. Die Erfahrung der letzten Jahrzehnte hat gezeigt, daß ein solches, auf die Übermittlung der 'richtigen' Informationen fixiertes Verständnis von Medien und Medienrezeption zu kurz greift. Denn heute sind, nicht zuletzt durch die Existenz von Gegenöffentlichkeit, auch gesellschaftskritische Informationen vielerorts verfügbar. Sie bleiben aber folgenlos. Das deutet darauf hin, daß die Medienkonsumentinnen gezielt Informationen auswählen und andere ignorieren. Diese Auswahl ist strukturiert durch das Interesse, gesellschaftliche Wirklichkeit in einer Weise wahrzunehmen, die die eigenen Selbst- und Gesellschaftskonzepte legitimiert. Es geht daher zunächst einmal darum, zur Kenntnis zu nehmen, daß es ein gesellschaftliches Verhältnis gibt, das Erkenntnis vorstrukturiert. So wird umgekehrt ein Schuh daraus: Heute mangelt es in der bürgerlichen Gesellschaft nicht an Informationen, sprich an Gegenöffentlichkeit, sondern das Hauptproblem ist deren absolute Folgenlosigkeit. Das heißt keinesfalls, daß es dieser Informationen nicht mehr bedarf, sondern nur, daß ein Politikkonzept, daß hauptsächlich oder ausschließlich auf deren Wirkung vertraut, uns problematisch erscheint. In 'Öffentlichkeit und Erfahrung' haben Negt/Kluge (1972) darauf verwiesen, daß die Subjekte sich "die bloße Abbildung der Realität" nur dann aneignen, wenn sie zugleich wissen, wie sie aktiv die sie bedrückenden Verhältnisse verändern können: "Erst aus dieser Handlungsmöglichkeit könnte sich ihr Interesse am Realismus rekrutieren." Gegenöffentlichkeit darf nicht auf den medialen Aspekt der Vermittlung reduziert werden darf. Mediale Interventionen müssen in einem umfassenderen Kontext von sozialem, politischem und kulturellem Handeln gedacht werden. Wichtig erscheint mitunter nicht, ob etwas in der Zeitung steht, sondern daß und wie Leute über Sachverhalte reden. (Gegen-) Öffentlichkeit ist dann mehr als Bildschirm, Radio oder Zeitung. Mediale Strategien, die allein auf den Informationsaspekt setzen und den gesamten Lebenszusammenhang bei der Konzipierung politischer Strategien außen vor lassen, laufen Gefahr, den medialen Bereich zu überschätzen (Mit dieser Überschätzung von Medienwirkungen befinden sie sich übrigens in gutbürgerlicher Gesellschaft, vgl. die Diskussionen um Mediengewalt). Hier erscheint uns ein weiterer Aspekt wichtig, der zwar genau wie Negt/Kluges Erkenntnis hinreichend bekannt ist, aber genausowenig Folgen für die Diskussion des Konzepts Gegenöffentlichkeit hatte: Die linken medientheoretischen Vorstellungen setzen voraus, daß die herkömmlichen Massenmedien sich - einmal im Besitz der richtigen Leute - als ein Instrument zur demokratischen Willensbildung einsetzen lassen. Aber das ist eine Mystifkation, denn Massenmedien im bisherigen Sinne sind nicht demokratisch. Ihre Kommunikationsform macht einen wirklich gleichberechtigten Austausch unmöglich, denn Massenmedien beruhen auf dem Prinzip der Vervielfältigung von Informationen in nur eine Richtung, von den Produzierenden hin zu den Konsumentinnen. Außerdem reproduzieren sie durch die Einbahnstraße ihres Kommunikationskanals Machtpositionen. Eine Strategie von Gegenöffentlichkeit, die sich auf Massenmedien stützt, vergißt, daß Massenmedien keine Reziprozität im Sinne von Gegenseitigkeit ermöglichen, sondern einen eng gesteckten Rahmen dafür setzen, was von wem in welcher Weise mitgeteilt werden kann und wer zum Schweigen verurteilt ist. Reversibilität (also Umkehrbarkeit des Informationsflusses, z.B. Hörerinnenanrufe oder Leserinnenbriefe) ist nicht mit Reziprozität gleichzusetzen. Aufgrund dieser Nicht-Reziprozität können Massenmedien für die Empfängerinnen allenfalls in sehr reduzierter Weise Ausgangspunkt oder Element von über den reinen Medienkonsum hinausgehenden sozialen Praxen werden. Für die MacherInnnen mag das anders aussehen. Gegenöffentlichkeit und soziale Praxis Diese Kritik an einem verbreiteten linken Medienverständnis rückt aus unserer Sicht die vielbeschworene Krise alternativer Medien in ein anderes Licht. Denn möglicherweise war es gar nicht so, daß linke Gegenöffentlichkeit 'früher' besser 'funktionierte'. Vielleicht war es auch nicht so, daß die damalige Medienpraxis gut war, sondern vielmehr, daß die Stärke der sozialen Praxis die Unzulänglichkeiten der medialen, 'inhaltlichen' Vermittlung unsichtbar machte. Wo geglaubt wurde, durch Aufklärung weitergekommen zu sein, mag es vielleicht in Wirklichkeit gar nicht der schlagenden Brillanz der Argumente aus der Gegenöffentlichkeit geschuldet gewesen sein, die bei vielen Leuten ein Interesse für bestimmte Themen und Sichtweisen und ein Bedürfnis nach entsprechenden Informationen hervorrief. Vielmehr drückte dieses Interesse die Veränderungen der eigenen Lebenszusammenhänge vor dem Hintergrund jener gesellschaftlichen Entwicklung aus, in deren Zuge auch die 'neuen sozialen Bewegungen' ihre Bedeutung gewannen. Etwas zugespitzt ließe sich daraus folgern, daß es nicht die linken Medien waren, die zur Ausbreitung der politischen Bewegungen beitrugen, sondern daß umgekehrt die Stärke der Bewegungen vor dem Hintergrund einer spezifischen gesellschaftlichen Situation den linken Zeitungen, Zeitschriften und Radios zu ihrer Verbreitung verhalf. Und in dieser Lesart ist offensichtlich, worin der Unterschied zwischen den Funktionsweisen linker Öffentlichkeit damals und heute besteht. Die Friedens-, die Anti-AKW- oder die feministischen Bewegungen boten konkrete Handlungsangebote und -zusammenhänge. Darin besteht ein weiterer Unterschied zwischen den Funktionsweisen linker Öffentlichkeit damals und heute. Gegenöffentliche Medieninformationen konnten sich vor diesem Hintergrund in bestimmten Kreisen eines besonderen Interesses sicher sein. Die Tatsache, daß Medieninformation ohne im Rahmen einer sozialen Praxis gegebene Handlungsmöglichkeiten zumeist wirkungslos bleiben, fiel damals gar nicht weiter auf, und so lag der Trugschluß nahe, daß Medieninformation per se zu politischem Handeln führt. Heute aber wird vor dem Hintergrund des Fehlens starker politischer und sozialer Bewegungen deutlich, daß zwischen Anspruch und realer Funktion von Medien der 'Gegenöffentlichkeit' eine Lücke klafft (die vielleicht schon immer bestand). Auch solche Medien, deren Anliegen es war, in die bürgerliche Öffentlichkeit zu wirken, dienten faktisch wohl doch in erster Linie der Vernetzung und Selbstvergewisserung innerhalb der Linken, so daß es sich bei ihnen wiederum eher um 'eigene' denn um alternative Medien handelte. Solange soziale und politische Bewegungen der 70er Jahre 'intakt' waren, fiel dieser Widerspruch zwischen Anliegen und tatsächlicher Funktion ebensowenig auf wie die Tatsache, daß Information und Ideologiekritik für sich genommen keinen Hund hinter dem Ofen hervorlocken. Nun aber unterstreicht die Entwicklung die Richtigkeit von Negt/Kluges Analyse, daß Information per se nichts bewirkt, wenn nicht eine soziale Praxis damit verbunden ist. Wenn aber Stellenwert und Wirkungsweise von Information nicht allein durch ihren Wahrheitsgehalt bestimmt sind, sondern durch den Kontext, innerhalb dessen Informationen rezipiert werden, dann ist das Konzept einer Aufklärung durch Information problematisch. Don't believe the Hype - Gegenöffentlichkeit im Internet? Wenn wir uns der Frage zuwenden, welche Chancen sich für eine linke 'Gegenöffentlichkeit' aus neuen technischen Entwicklungen ergeben, ist das für uns zentrale Problem nicht, welche neuen Kanäle der Informationsübermittlung sich durch freie Radios, Mailboxen und Internet allgemein bieten. Vielmehr geht es darum zu klären, wo solche Medien im sozialen Raum positioniert sind und welche neuen (Handlungs)perspektiven sie eröffnen. Auch die Diskussionen um das Internet als neuem Ort linker Medienpraxis kreisen in erster Linie um den Fetisch 'Information, Information, nochmal Information und zwar für alle'. Dabei werden Diskussionen über die technischen Möglichkeiten von Gegenöffentlichkeit wiederholt, wie sie ähnlich im Zusammenhang mit freien Radios bereits geführt wurden. Berauscht von der Vorstellung eines riesigen, internationalen und deswegen kaum zensierbaren Informationsflusses bleibt die Debatte aber häufig an diesem Punkt stehen. Dabei ist auch hier zu fragen, welcher Stellenwert solcher Information zukommt. Es wird hier von Medien in einer Weise gesprochen, als seien sie die Öffentlichkeit selbst: "Die Rede von der Mailbox als universelles Medium erweist sich vollends als Mythos, wenn der Austausch von Daten und politischen Informationen zum puren Selbstzweck wird, falls diese sich am Ende nicht in politischer Praxis materialisieren. Das heißt, die Anwendung dieser neuen Technologie (für sich genommen) erreicht nichts!" (Kunz 1994). Es ist einmal mehr das Manko, daß in der Diskussion um das Internet gerade in bezug auf Gegenöffentlichkeit wieder nur von Informationen und Kanälen die Rede ist, aber nicht von den Bedingungen der Rezeption. Einmal mehr haben wir es mit einer Technifizierung der Diskussion um die Bedingungen von politischem und sozialem Handeln zu tun. Auch Linke knüpfen vielfältige Hoffnungen an die technologischen Möglichkeiten des Netzes. Demokratisierung und bessere Partizipationschancen können schon als Gemeinplätze des Internet-Hypes angesehen werden. Solche Vorstellungen können wir uns getrost abschminken, denn die technische Möglichkeit des Zugangs zum Netze sagt noch nichts über die anderen notwendigen Voraussetzungen für den Gebrauch des Netzes wie die Verfügung von kulturellem oder sozialem Kapital aus. Aus unserer Sicht wäre die spannendere Frage, was von Vorstellungen zu halten ist, die das Internet auch und gerade als potentiellen Ort neuer sozialer Praxen verstehen. Es darf zumindest nicht übersehen werden, daß sich das Internet von traditionellen Medien insofern wesentlich unterscheidet, als es die Möglichkeit einer reziproken und interaktiven Kommunikation bietet. Besteht die Aussicht, sich in diesem Rahmen selbstbestimmte Orte zu schaffen, 'temporäre autonome Zonen', in denen bestehende gesellschaftliche Regeln zumindest zeitweise außer Kraft gesetzt (bzw. noch gar nicht verbindlich formuliert) sind? Und wenn ja, welche Auswirkungen hat das auf die soziale Beziehungen außerhalb der Netze? Die Kritik an solchen Vorstellungen wird häufig wiederum von einer Position aus formuliert, die offen oder implizit die 'authentischen' Formen von Kommunikation, Interaktion und sozialer Praxis in der 'wirklichen' Welt der Scheinwelt des Cyberspace gegenüberstellt. Uns erscheint eine solche unterschwellig naturalisierende Gegenüberstellung und Bewertung von Formen menschlicher Praxis fragwürdig. Vielleicht bietet gerade die reduzierte und 'unauthentische' Form der Kommunikation im Netz die Chance, dort bestehende soziale Identitäten zumindest teilweise außer Kraft zu setzen. Bei der Beurteilung, welche tatsächlichen Möglichkeiten sich hier bieten, ist unkritische Begeisterung ebenso unangebracht wie vorschnelle Ablehnung. Viele Fragen, die sich uns aufdrängen, sind aus anderen Zusammenhängen wohlbekannt: Wer sind die Akteure im Internet (vor allem männliche weiße Metropolenmittelschichtsbürger, genau wie in der Linken )? Wie lange wird es dauern, bis die bestehenden Spielräume in Netz juristisch und polizeilich domestiziert sind? Inwieweit besteht die Gefahr, einmal mehr die Funktion der Avantgarde im kapitalistischen Modernisierungsprozeß zu übernehmen, deren Praxen dann in kommerzialisierter und entschärfter Form in den gesellschaftlichen Mainstream eingehen? Wesentlich erscheint es uns auf jeden Fall, sich bei der Diskussion nicht selbst in den Cyberspace zu katapultieren, sondern das Verhältnis von Cyber-Netzkommunikation und Kommunikation im 'Real Life' im Auge zu behalten. Sonst laufen wir stets Gefahr, allzu technologiezentriert zu diskutieren oder gar dem Mythos der 'Informationsgesellschaft' aufzusitzen. Gerade vor dem Hintergrund der Euphorie um das Internet haben jene Techno-Philosophien (Kittler, Flusser oder Bolz) wieder Boden gewinnen können, die einer "Mediatisierung" (Maresch 1995, 405: "Der Wunsch nach unverstellter Kommunikation hat keine realistische Basis mehr.") von Kommunikation und von Öffentlichkeit das Wort reden und die Medien selbst als soziale Praxis ansehen. In dieser Sichtweise weden Medien als eigenständige Wesen mit Willen zum Fortschritt imaginiert; daher mache es auch wenig Sinn, sich gegen die technologischen Entwicklungen aufzulehnen (Vgl. die Kritik von Buchmann 1995, die die naturalisierende reaktionäre Dimension dieser technikdeterministischen Vorstellungen aufzeigt). Diese Techno-Philosophien liefern den ideologischen Unterbau für eine Entwicklung, in der das technische Leitbild Computer und neuerdings das Internet zur wichtigsten Metapher für die sozialen Aufstiegsphantasien und -hoffnungen diverser Mittelschichten geworden ist. Der Mythos von der 'Informationsgesellschaft' findet hier seinen symbolischen Ausdruck.
"Vorwärts und viel vergessen!" Es bleibt die Frage, was aus unseren Überlegungen für die linke Medienpraxis folgt. Das Hauptziel derzeitiger linker Politik müßte unseres Erachtens sein, Alternativen über die 'Natur' der gesellschaftlichen Beziehungen gegenüber dem bestehenden hegemonialen Konsens wieder denkbar zu machen, wobei es notwendig ist, die Modalitäten der Herstellung dieses Konsens in Rechnung zu stellen. Ungeachtet der Verschärfung von Klassengegensätzen vollzieht sich gleichzeitig eine Ausdifferenzierung von Lebensstilen und deren Repräsentation in der bürgerlichen Öffentlichkeit. Das hat zur Folge, daß, was sich früher als klar umrissener hegemonialer Diskurs ausmachen ließ, heutzutage immer schwerer zuordenbar ist. Das liegt unter anderem auch daran, daß sich dieser Diskurs in erster Linie nicht mehr um bestimmte Inhalte dreht, sondern zugleich in der Form ihrer Repräsentation aufgeht. Damit geht ein Eindringen in das Themenfeld alternativer Medien einher, deren Form absorbiert und deren Inhalte neutralisiert werden (So, wenn die in den alternativen Medien entwickelten innovativen kulturellen Servicefunktionen mittlerweile die ökonomische Grundlage von Stadtmagazinen à la Prinz geworden sind). Aufgrund des mit dieser Entwicklung einhergehenden Funktionsverlusts sehen sich die Medien der 'Gegenöffentlichkeit' auf die Rolle von Fanzines zurückgeworfen, die sich nur noch an eine relativ kleine soziale Gruppe wenden. Als solche sind sie allerdings keinesfalls funktionslos. Linke Medien können nach wie vor einen Ausgangspunkt bilden, um bestimmte Informationen in eine (auch bürgerliche) Öffentlichkeit zu tragen und dort Momente einer Delegitimierung der herrschenden Ordnung zu bewirken; derartige Informationen sind nicht deshalb unnötig, weil sie nicht zwangsläufig zu gesellschaftsveränderndem Handeln führen. Information werden nicht per se unwichtig. Gerade zur Bildung von Teilöffentlichkeiten und Subkulturen sind funktionierende Kommunikationsstrukturen überaus wichtig. Eigene Medien machen den Raum auf, in dem Abweichendes und Alternatives vorgetragen und gedacht werden kann. Darum haben wir auf sie ein besonderes Augenmerk zu richten. Es gilt aber, die damit verbundene Beschränktheit einer solchen Funktion von Medien zu reflektieren und um Möglichkeiten und Spielräume sozialen Handelns außerhalb der virtuelle Welt der Medien zu ringen (Catchen? Boxen? Aikido?). Eine gesellschaftsverändernde soziale Praxis bedarf der konkreten Utopie von einer anderen Gesellschaft. Doch ein solches Projekt darf nicht als hauptsächlich medial erreichbares gedacht werden. Gesellschaftliche Veränderung beginnt auch und in erster Linie im sozialen Alltag der Subjekte. Die Utopie einer anderen Gesellschaft läßt sich nicht in Buchstaben, sondern allenfalls in kulturellen Formen artikulieren, nicht als fertiger Text, sondern stets fragmentiert und unvollständig. Und in einem solchen Kontext haben die linken Medien einen wichtigen Platz, auch wenn derselbe den Machern (welche bekanntlich gerne große und weitreichende strategische Gedanken formulieren) nicht behagen mag, Als Selbstverständigungsmittel sind linke Medien unverzichtbar. Gemessen an alten Illusionen mag das wenig sein. Mehr als nichts ist es allemal. Als Fanzines einer Subkultur sind linke Medien unverzichtbar. Gemessen an alten Illusionen mag das wenig sein. Mehr als nichts ist es allemal.
Literatur: Buchmann, Sabeth: Nur soviel: Das Medium ist nicht die Botschaft. Kritik der Medientheorie. In: Babias, Marius (Hg.): Im Zentrum der Peripherie. Kunstvermittlung und Vermittlungskunst in den 90er Jahren. Dresden/Basel 1995, S. 79-102. Enzensberger, Hans-Magnus: Baukasten zu einer Theorie der Medien. In: Kursbuch Nr. 20/1970, S. 159-186. Lovink, Geert: Hör zu - oder stirb! Fragemente einer Theorie der souveränen Medien. Berlin 1992. Kunz, Thomas: Medien, Mythen, Mailboxen. In: links 3/1994. Maresch, Rudolf: Mediatisierte Öffentlichkeiten. In: Leviathan 23 (1995) 3, S. 394-416. Negt, Oskar/Kluge, Alexander: Öffentlichkeit und Erfahrung. Zur Organisationsanalyse von bürgerlicher und proletarischer Öffentlichkeit. Frankfurt 1972.
Überarbeitete Version des erstmals in der 'links - Sozialistische Zeitung' Nr. 308/309, Jan./Feb. 1996 veröffentlichten Artikels. |
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