Die letzte Tortenschlacht gewinnen wir!

Das "Handbuch der Kommunikationsguerilla" stellt heitere Formen politischen Widerstands vor

Von Christian Gottschalk

(aus: Kölner StadtRevue, Nr. 6/Juni 1997)
"Tomaten und Eier sind kritisch, Torten sind komisch" lehrt uns das 'Handbuch der Kommunikationsguerilla' der 'autonomen a.f.r.i.k.a.-gruppe'.

 Der Bericht in der 'Kölnischen Rundschau' (Bericht mit Bild über einen gelungen Tortenwurf auf EU-Kommissar Jacques Delors: "Sahnige Rache der Maastricht-Gegner", d.säzz.) vom 1. Mai gibt ein beredtes Beispiel hiervon. Obwohl man der 'Rundschau' sicher keine Sympathie mit militanten Gegnern der Maastricht-Verträge nachsagen kann, berichtet sie in launigem Ton und druckt das Foto des besudelten Politikers auf Seite 1. Das Handbuch beschreibt Methoden zwischen Fake und unsichtbarem Theater, stellt aktuelle und historische Gruppen und Bewegungen vor, die sich mit pfiffigen Aktionen einen Namen gemacht haben, und versucht sich in Theorie ("Kulturelle Grammatik und Subversion").

 Der Geschichte des politischen Tortenwurfs ist im Handbuch ein ausführliches Kapitel gewidmet, das man auf jeden Fall zuerst lesen sollte. Keinesfalls ist zu empfehlen, mit diesem Buch vorne anzufangen, denn das langatmige erste Kapitel ist doch sehr deutlich von der Angst geprägt, in den eigenen (linksradikalen) Kreisen mißverstanden zu werden. Mit Sätzen wie: "Das Konzept Kommunikationsguerilla ersetzt keine inhaltliche und organisatorische Arbeit, keine Antifa-Aktionen, kein theoretisches Programm und auch keine eigenen Medien ..." werden in vorauseilendem Gehorsam all jene besänftigt, die vielleicht beleidigt sein könnten.

 Als Lesebuch verstanden, macht der Band dagegen Spaß, weil er Geschichten erzählt: von 300 'Teen Talk Barbie Puppen', deren Sprachmodule ausgewechselt wurden ("Dead men teil no lies!"), vom geteerten und gefederten Denkmal in Marbach, von den Yippies, die Dollarnoten auf den Boden der Börse flattern ließen, von Provos, Chumbawamba, Till Eulenspiegel, der Kommune 1 u.v.a.m.

 Hübsch gelungen ist auch die Ubereinstimmung von Inhalt und Form. Das Buch verwendet selbst die Methoden, von denen es handelt: Fake und Fälschung, Entwendung und Umdeutung. Der Umschlag ist eine schöne Fälschung der "Jetzt helfe ich mir selbst"-Autoreparaturbücher. Der als Autor auftretende Luther Blissett wird im Text als eine Art Kunstfigur der Kommunikationsguerilla vorgestellt. Die 'Stimmen zu diesem Buch' im Klappentext sind 'Fakes', mit denen sich die AutorInnen kleine Privatwitze leisten: "Da sieht man, was dabei herauskommt, wenn Autonome sich mit Asthetik beschäftigen. Tom Holert, Texte zur Kunst"

 Da hat Holert, wenn ich richtig interpretiere, was er nie geschrieben hat, irgendwie Recht. Die theoretischen Ausfiihrungen sind in großen Teilen überflüssig, die relevanten und erhellenden Überlegungen bleiben so in einem geschwätzigen Gesummse versteckt: 

"Hier hätte mit harter Hand gekürzt und redigiert werden müssen!" , Christian Gottschalk, StadtRevue.

 
autonome a.f.r.i.k.a.-gruppe, Luther BIissett/ Sonja Brünzels: 
Handbuch der Kommunikationsguerilla 
Verlag Libertäre Assoziation - Schwarze Risse/Rote Straße, 240 Seiten, DM 29,80.

StadtRevue
Kölns Stadtillustrierte
Maastrichter Str. 49
5062 Köln
(0221) 951 541 0

 
 
 backback to the review-indexback^2back to the index of channel 2
back^3back to the main index
emailfeedback via email