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= Von    : Peter 'Epit' Herbertz EPIT@MUFFLAND.sb.sub.de
= An     : /CL/MEDIEN/ALLGEMEIN
= Betreff: Kurzrezension: Handbuch der Kommunikationsguerilla
= Datum  : 08.04.1997 00:00:00 W+0


Replik auf newelle@koma.free.de:

 >  autonome a.f.r.i.k.a.-gruppe/Luther Blissett/Sonja Bruenzels:
 >  Handbuch der Kommunikationsguerilla.
 >
 >  ISBN 3-922611-64-8 Verlag Libertaere Assoziation
 >  ISBN 3-924737-38-X Schwarze Risse/Rote Strasse
 >  240 Seiten, Grossformat, 29.80 DM / 27,50 sFr / 219 OeS


Progressiver Hedonismus?

Das Buch ist äusserlich der jahrzehntealten Dieter-Korp-Reihe "Jetzt
helfe ich mir selbst" bis in kleine Einzelheiten hinein derart
ähnlich, daß mein Buchhändler an eine Fehllieferung glaubte.

Der Inhalt ist durchlaufend in 3 typographisch unterschiedene Ebenen
gegliedert: oben: Kurzdarstellungen aus der Lebenspraxis von Leuten &
Gruppen, mitten: eher theoretische Kategorisierungen sowie unten:
anekdotische Schmankerl & Blitzlichtaufnahmen.

All das handelt von Theorie & Praxis der paradoxen Aktion, von dem,
was in den frühen Siebzigern als "Spaßguerilla" daherkam und damals
von vielen "Linken" aller Schattierungen als "unernst" begeifert
wurde.

Das Buch ist keine Sammlung von Argumenten, es versucht nicht,
Ahnungslose zu Skeptikern oder Kriechern zu kritischen Denkern zu
machen, sondern wendet sich eher an Menschen und Menschenhaufen, die
solche Prozesse längst durchlaufen und sich nach einigem Frust in
einen, sagen wir, regressiven Hedonismus verzogen haben.

Neue Aspekte oder gar Prinzipien habe ich dabei zwar nicht gefunden,
doch fand ich sehr viel Halb- und Ganzvergessenes wieder. All das
gesammelt, aufbereitet und dem Schwarzen Loch entrissen zu haben,
ist unzweifelhaft löblich. Die Lektüre ist zumindest dann amüsant,
wenn man mit der theoretischen Plattform vertraut ist, auf der die
Darstellung angesiedelt ist. Wer sich bereits am traditionellen
Soziopsychoslang und auch dem modereneren Metamedienspeech
delektiert hat, kann den "theoretischen" Teil auch wahlweise als
Satire, na, welch Wort wird wohl gewünscht? Rezipieren, natürlich.

Daß Aufmachung und Sprachduktus des Buches von den darin empfohlenen
paradoxen Strategien selbst weidlich Gebrauch machen, mag
Rekursionsliebhaber zum Schmunzeln bringen, ob es den Aktionismus
fördert, sei dahingestellt. Allerdings funktionieren solche mehr
oder minder kreativen Happenings, von denen der Text so wimmelt,
eigentlich ohnehin nur dann, wenn sie von Leuten, die nach Art der
Spontis längst vergangener Zeiten gut drauf sind, selber erdacht und
angezettelt werden.

Derlei in einem Buch zu lesen und dort zu ähnlicher Aktion animiert
zu werden, mutet dagegen eher ein wenig an wie jener alte, berühmt
gewordene, paradoxe Imperativ: "Sei spontan!"


Ahoi,
ep



--
»Tritt den Leuten nicht auf die Füße, wenn du sie vor den Kopf 
stoßen kannst.« (Karlheinz Deschner, *1924)
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