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KommunikationsguerillaDie derzeitige Krise der Linken im allgemeinen wie der Friedensbewegungim besonderen basiert auf einem doppelten Problem: Einerseits erlaubt diezunehmende Theorielosigkeit keine strategischen Politikansätze mehr,andererseits wird die argumentative und begriffliche Mühe durch dieForderung vor allem der Jüngeren behindert, daß Politik in ersterLinie auch Spass machen muß. (vgl. ami 7-8/97, X-6).Den Schopf, an dem sich die Bewegung aus dieser Falle ziehen soll, habendie AutorInnen des Handbuches der Kommunikationsguerrilla geknüpft:Gewissermaßeneine subversive Theorie der spaßigen Praxis. Anknüpfend anKulturtheoretikerwie Roland Barthes, Michel Foucault, Jean Baudrillard, Umberto Eco undMarshall McLuhan untersuchen sie, warum die radikale Linke so großeSchwierigkeiten hat, in der Öffentlichkeit gehört zu werden.Sie identifizieren die "kulturelle Grammatik" (Barthes; Foucaultianerwürden es "Ordnung des Diskurses" nennen) als System vonSprach- und Verhaltensregeln, die bestimmte Gruppen und Argumenteausschließenbzw. sie nur so zulassen, daß die bürgerliche Ordnung nichtgestört wird. In Zeiten einer kulturellen Hegemonie (Gramsci) derRechten kommt es daher darauf an, die Spielregeln zum Tanzen zu bringenund ihnen die Selbstverständlichkeit zu nehmen (vgl. das ami-Themenheft"Die Macht des Symbols", 12/89). Die zum Tanzen notwendige Rythmusmaschineder Kommunikationsguerrilla besteht vor allem aus zwei Grundbeats:Überidentifizierungund Verfremdung. Die Überidentifizierung hat zum Ziel, die Positiondes politischen Gegners bis zur Kenntlichkeit auf die Spitze zu treiben.So riefen z.B. die DemonstrantInnen bei einem Besuch desUS-Außenministersin den achtziger Jahren "Wir wollen mehr Raketen! Sollen russischeKinder ewig leben?" und machten so das Problem klarer, als es einnoch so gut durchdiskutiertes Flugblatt hätte schaffen können.Die Verfremdung dient dazu, eine Kommunikationssituation so zu stören,daß die klassischen Fronten von einer ganz anderen, unerwartetenSeite aufgebrochen werden und so eine Distanz geschaffen wird, von deraus für einen Moment die Möglichkeit einer ganz anderen Wirklichkeitaufscheint. Ein gelungener Angriff auf die Konsumwelt und ihre Folgen warz.B. ein Plakat, in dem aus Calvin Kleins Parfum "Obsession for Men"mittels eines Obdachlosen-Fotos plötzlich "Recession for Men"wurde. Verfremdung und Überidentifizierung können mit den verschiedenstenMethoden
erreicht werden. Die Kommunikationsguerrilleros bieten dazu einenvergnüglichen
Streifzug durch mehrere Jahrhunderte subversiver Praxis:
Ein "Handbuch", wie der Titel und das Cover (im Stil der"Jetzt helfe ich mir selbst"-Autobastelbücher)suggerieren, ist das Werk dennoch nicht. Wer also nach der Lektüresofort "faken" oder "snipen" oder "subvertizen"will, muß sich schon noch selber Gedanken machen über Aktionsform,kulturellen Kontext und konkrete Umsetzung. Für EinsteigerInnen bietetdas Buch einen ersten Zugang zu verscheidenen Theorien von Öffentlichkeitund Medien, eine umfangreiche Sammlung von Praxen und Anlässen, einenausführlichen Service-Teil sowie unendlich viele witzige Beispiele. Über den theoretischen Teil läßt sich streiten, fürmeinen Geschmack wurde hier zuviel behauptet, was entweder der genauerernErörterung bedurft hätte oder einfach widersprüchlich ist.So wehren sich die AutorInnen gegen die angebliche postmoderne Beliebigkeit,während sowohl der Ansatz als auch die Aufmachung des Buches bis insMark postmodern sind. Wer eine "Strategie der Taktik" predigtund von "ortlosen, fragmentierten Subjekten" redet, der kannsich gerade nicht mehr naiv hinstellen und behaupten, Kommunikationsguerrillaund linke Theoriebildung könnten ohne Probleme nebeneinander bestehen. Wer an der Neukonstruktion linker Theorie arbeitet, bezieht nämlicheinen strategischen Ort, an dem er oder sie vom politischen Gegner angreifbarist. Die Guerrilleras und -os aus dem Neckarraum versuchen diesem Einwandhalbherzig zu begegnen, indem sie ihr Buch als Hilfe vor allem in defensivenZeiten anpreisen. Die grundsätzlichen Schwierigkeiten, die einetheoriegewöhnteLinke mit der postmodernen "Skepsis gegenüber den GroßenErzählungen" hat (Lyotard, vgl. ami 11/96, Y-295), sind damitaber noch nicht ausgeräumt. Dennoch erhält das Buch das Prädikat"besonders empfehlenswert" - weil das Lesen solchen Spaßgemacht hat. (rbe) Unter http://www.contrast.org/KG/ findet man das Archiv derKommunikationsguerrillaim
Internet. Dort gibt es auch Hinweise zu ihrer derzeit laufendenWelttournee.
ami-Verlag GbR
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