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Fame, money and beautiful loversDie Kommunikationsguerilla will die herrschende Ordnung untergraben. Entsprechende Anleitungen dazu gibt es jetzt im HandbuchAusgesuchte Mitglieder der Elite der italienischen Gesellschaft erhielten 1975 eine Broschüre mit dem um-ständlichen Titel »Wahrhafter Bericht über die letzten Chancen, den italienischen Kapitalismus zu retten«, deren Verfasser mit dem Pseudonym »Censor« gezeichnet hatte. »Censor« begründete darin, daß die einzige Möglichkeit zur Stabilisierung des durch autonome Streiks und Studentenrevolten erschütterten Landes darin bestehe, die kommunistische Partei PCI in die Regierung einzubeziehen. Ängste vor dem PCI seien unangebracht. Die revolutionären Tendenzen im PCI seien bloße Rhetorik, tatsächlich hätte die Partei ein eigenes Interesse an der Kanalisierung und Bürokratisierung der Proteste.Bezeichnenderweise erhob der PCI selbst keinen Widerspruch gegen die Aussage von »Censors« »Bericht«. Die bürgerliche Presse beschäftigte sich hauptsächlich mit dem Rätselraten um die wahre Identität des Verfassers, ohne seine Analyse in Zweifel zu ziehen. Vom Autor wurde angenommen, daß er selbst ein Mitglied der italienischen Elite sein müsse, oder daß er im geheimen Auftrag des PCI gehandelt habe. Fake- und Camouflage-Aktionen wie diese gehören seit langem zum Repertoire der Linken. Sie seien ein Versuch, sich dem Problem zu stellen, daß »politische Inhalte nicht nur wegen ihrer Richtigkeit ... akzeptiert werden«, erklärt das soeben erschienene Handbuch der Kommunikationzguerilla: »Wo Aufklärung nicht ankommt, kann Kommunikationsguerilla die wirksamere Taktik sein.« Im geschilderten Fall bekannte sich der linksradikale Situationist Gianfranco Sanguinetti dazu, die Broschüre verfaßt und verbreitet zu haben, um damit die systemstabilisierende Rolle des PCI im Italien der 70er Jahre zu entlarven. Spaßguerilla, Situationismus, Dada, Yippies, Kommune 1 - die Ahnengalene der Kommunikationsguerilla und ihre Aktionen sind in der linken Bewegung bekannt, und sie werden in der Regel goutiert. Freilich haben sie stets den Geruch des nicht ganz ernst zu nehmenden Streichs, der zwar irgendwie lustig, aber doch keine wirkliche politische Arbeit ist. Ein Mißverständnis, das durchaus beiderseitig ist. Das patronistische Schmunzeln der traditionellen Linken quittierte die so verstandene Guerilla typischer-weise mit relativ unzugänglichen künstlerisch-avantgardistischen Manifesten (Situationisten) oder mit einer nach rechts hin offenen Tendenz zum Unpolitischen (Kommune 1), die beiden Seiten die beruhigende Überzeugung ließ, man habe letztlich nicht viel miteinander zu tun. So einfach machen es sich die Autorinnen und Autoren des Handbuchs freilich nicht. Ihr Anspruch ist es nicht bloß, einen unterhaltsamen und anregenden Überblick über Gruppen und Aktionen zu liefern, sondern dieser Praxis eine Theorie an die Seite zu stellen und en passant einen »Beitrag für eine künftige Theorie der Subversion« zu liefern: »Kommunikationsguerilla will die Selbstverständlichkeit und vermeintliche Natürlichkeit der herrschenden Ordnung untergraben. Ihre mögliche Subversivität besteht zunächst darin, die Legitimität der Macht in Frage zu stellen und damit den Raum für Utopien überhaupt wieder zu öffnen.« Die als Herausgeber des Handbuchs firmierende »autonome a.f.r.i.k.a.-gruppe« ist in den letzten Jahren selbst zum Markenzeichen für solche Attentate geworden. Aufsehen erregte etwa die Störung und schließliche Vereitelung des rituellen Maieinsingens der Tübinger Burschenschafter. Die Konfrontation zwischen den Burschis und den unvermeidlichen Gegendemonstranten hatte in der Vergangenheit ritualisierte Formen angenommen und war nicht mehr in der Lage, die Kundgebung der Burschis wirkungsvoll zu beeinträchtigen. Genau das gelang mit einem multimedialen Spektakel, in dessen Verlauf Dias von gehenkten Nazikriegsverbrechern auf Häuserwände am Schauplatz projiziert wurden, nackt umhertanzende Männer im polizeilich gesicherten Puffer zwischen Demonstranten und Burschenschaftern mit der Botschaft »Jesus liebt euch alle« Verwirrung stifteten (untermalt von dem als Henry-Maske-Fanfare bekannten pathetischen Rock von Vangelis) - bis zum Finale, bei dem ein Lkw die Szenerie mit lautem Techno beschallte, die Burschenschafter die Sinnlosigkeit ihres Tuns einsahen und der Abend statt in »Der Mai ist gekommen« in einem Rave mündete. Auf dem Kurs der Kommunikationsguerilla lauern zahlreiche Untiefen, die im Handbuch elegant umschifft werden. Weit davon entfernt, nun die neue Strategie für die Linke zu postulieren, sind sich die Autorinnen und Autoren der Beschränkungen solcher Praktiken bewußt: Sie seien »zwar subversiv, weil sie die Setzungen der Macht verändern, umdeuten und umnutzen, sie müssen aber nicht automatisch gesellschaftsveränderndes Handeln nach sich ziehen«. AlIfällige Versuche, die coole und lustige Kommunikationsguerilla gegen die uncoole und bierenste inhaltliche und organisatorische Arbeit oder gegen klassische Formen der Gegenöffentlichkeit auszuspielen, weisen sie zurück: Auf den erwartbaren Einwand, daß die Techniken der Verfremdung und Überidentifizierung, des Spektakels und der Camouflage, mit denen die Kommunikationsguerilla arbeitet, von der Werbung adaptiert und vom bürgerlichen Diskurs aufgesogen wurden und werden, antwortet die Gruppe mit einem charakteristischen Kunstgriff. Sie geben ihn einfach zu, nehmen ihn als gegeben hin: Der Versuch, diese Taktiken »vor dem Zugriff der kapitalistischen Verwertung zu retten, ist von vorneherein zum Scheitern verurteilt...« Es gibt kein Rezept gegen die Integration subversiver Praktiken in den bürgerlichen Kommunikationsbetrieb. Aber: Diese Integration ist immer nur eine Reaktion. Dadurch gewinnen subversive Taktiken einen Vorsprung, der freilich durch ständige Positionswechsel verteidigt werden muß: »Vielmehr liegt ihre Stärke darin, beweglich zu sein und immer neue Überlegungen anzustellen, wie Vereinnahmungsversuche wieder durch weitere Aktionen ad absurdum geführt werden können.« Die fast schon mathematische Präzision, mit der das Handbuch gegen die möglichen Einwände der linken Debatte wasserdicht gemacht wurde, ist selbst schon ein Stück Guerilla-Arbeit. Jede Attacke aus den eigenen Reihen, so scheint es, erahnen die Autoren und Autorinnen im voraus und lassen sie geschickt ins Leere laufen. Umso auffälliger freilich ist die einzige Leerstelle im Handbuch: Die Gruppe selbst und ihr individuelles Interesse. So konsequent, wie das Pseudonym »autonome a.f.r.i.k.a -gruppe« in den letzten Jahren durchgehalten wurde, ist es zweifellos ein Markenzeichen für bestimmte (ziemlich gute, zugegeben) Aktionen geworden, und selbstverständlich weiß jeder, der ein bißchen mit der Szene vertraut ist, wer sich dahinter verbirgt. Daß die Gruppe bereits unter gewissen Starallüren leidet, ist keine neue Kritik, und sie wird im vorliegenden Band unfreiwillig eingestanden, wenn sich die Autoren und Autorinnen etwa darüber beschweren, eine lokale Szene hätte bei einer Aktion »nicht mitgezogen«. Angesichts der übrigen Geschlossenheit des »Handbuchs« kann man nicht umhin, diese Auslassung zu bemerken. Einer Kritik, die der Gruppe unterstellen würde, es ginge ihr nur um Prominenz und darum, durch Markenbildung ihren baldigen Ausverkauf vorzubereiten, wird im Handbuch nichts entgegnet. Ein dummer Einwand wäre das allerdings trotzdem und das Motto des Buches weist immerhin bereits selbstironisch in die Richtung des Auswegs: »We have declared ourselves to be the famous and fabulous forerunners of communication guerilla because we desire fame, money and beautiful lovers.« autonome a.f.r.i.k.a.- gruppe, Luther Blissett, Sonja Brünzels: Handbuch der Kommunikationsguerilla. Verlag Libertäre Assoziation, Verlag Schwarze Risse/Rote Straße, Hamburg/Berlin/Göttingen 1997, 240 Seiten, 29,80 Mark. Boris Gröndahl schrieb in KONKRET 2/97 über die KPÖ |
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