Guerilla?
Kommunikation?

aus SoZ Nr. 13, 26.6. 1997 u. philtrat Juni 1997

Die linksradikalen Bewegungen der BRD standen und stehen vor dem Problem, wie sie ihre Positionen außerhalb ihrer eigenen Zusammenhange vermitteln sollen. Die AutorInnen des "Handbuches der Kommunikationsguerilla" beschreiben das Dilemma so: "Da bringst du ein Flugblatt heraus, auf dem du zu einer Demo gegen eine der üblichen Sauereien aufrufst. Du hast die ganze Sache auf Konsens diskutiert, die politische Analyse ist von bestechender Logik, die Konsequenzen sind kristallklar und die Forderungen prägnant formuliert und keiner hört dir zu: Auf der Demo erscheint nur das übliche Szenepublikum" (S. 174). Manchen hat das schon am deutschen Proletariat verzweifeln und zu den Anti-Nationalen konvertieren lassen (,andere machen einfach verbissen weiter).

 Das Handbuch der Kommunikationsgnerilla sieht dagegen eine falsche Vorstellung von Kommunikation am Werke: ,,Das Vertrauen darauf, daß die bloße Vermittlung solcher Inhalte eine wirksarne Form politischen Handelns darstellt, ist schwer zu erschüttern" (S. 175). Hinter dieser Ansicht stehe letztendlich ein Denkmodell, das sich einseitig auf den Sender von Informationen beziehe. Die Empfängerinnen der Botschaft seien aber frei, die Nachricht unterschiedlich zu deuten. Kommunikationsguerilla bedeute nun, "lokal begrenzte Situationen zu schaffen, die abweichende Sichtweisen aktivieren helfen". Was aus diesen Situationen wird ,,kann nicht exakt vorbestimmt werden" (S. l84). 

Dies errinnert an die "SpaßGuerilla" der 80er Jahre. Die Aktionsformen sind ähnlich. Sie reichen von Fälschungen bis zur Veräppelung, von Graffiti bis zum Tortenwurf. Das Buch ist reichlich mit Aktionsbeispielen illustriert, was es zu einet zum Teil sehr kurzweiligen Lektüre werden läßt.

 Vor allem in der autonomen Linken wurde die Kommunikationsguerilla stark rezipiert. Während der Proteste gegen den Europagipfel in Amsterdam gründete sich beispielsweise die "Internationale der Kommunikationsguerilla". 250 Menschen zogen anschließen zu den Hotels der Gipfelteilnehmerlnnen und bejubelten sie. "Mehr Arbeit, weniger Lohn!" und ,"Mehr Polizei!" waren die Parolen. Letztere wußte sich nicht recht zu helfen. Festnehmen? Jubelnde Bürgerlnnen? Eine Delegation mit Torte wollte sie freilich nicht zum französischen Präsidenten Jaques Chirac vorlassen. Auch während der Aktionswoche zur Umstrukturierung der Innenstädte Anfang Juni wurde sich auf die Kommunikationsguerilla bezogen.

 Das Konzept der Kommunikationsguerilla bleibt aber letzten Endes spontaneistisch. Auch wenn proklamiert wird, die "Kommunikationssituation" in den Blick zu rücken, wird diese nicht mit der Gesellschaft verknüpft. Die materielle Gewalt der Verhältnisse und ihrer Ideologie werden ausgeblendet. Die Kommunikationsguerilla kann den Subjekten mit ihren ,"abweichenden Sichtweisen" keine kollektive Struktur und keine Partizipation anbieten. So werden es letzten Endes erneut die bestehenden hegemonialen Mächten sein, die die "offenen Situationen" füllen. Die AutorInnen beziehen sich nach Gramsci auf den "Alltagsverstand". "Es geht darum, in konkreten Situationen die taktische Alltagsbewältigung der Individuen aufzugreifen, sie bewußt zu machen (und) politisch zu artikulieren" (S. 31). Es läge nahe, an dieser Stelle auch Gramscis Konzept des "organischen Intellektuellen" zu untersuchen. Damit wäre die Erfolglosigkeit der eifrigen Flugblattverteilerinnen kein Rätsel mehr. Denn sie treten von außen an die Objekte ihrer Agitation heran. Dagegen müßten sie sich eine moralische Autorität durch aktive und vorwärtstreibende Teilnahme an deren Erfahrungen erst erarbeiten. In ihrer Untersuchung von alternativen Medien ist das den AutorInnen auch bewußt: ,,Information per se bewirkt nichts, wenn nicht eine soziale Praxis damit verbunden ist" (S. 191). Gleiches ließe sich auch für die Kommunikationsguerilla sagen.

 Gerd Riesselmann

 autonome a.f.r.i.k.a.- gruppe, Luther Blissett, Sonja Brünzels:
Handbuch der Kommunikationsguerilla. Verlag Libertäre Assoziation, Verlag Schwarze Risse/Rote Straße, Hamburg/Berlin/Göttingen 1997, 240 Seiten, 29,80 Mark. 

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