|
http://www.terz.org/9709/s23_a.htm
Debatte (weitere beiträge zum Thema sind erwünscht)Die TERZ hatte im Juli die "autonome a.f.r.i.k.a.-gruppe" zum Thema
"Kommunikationsguerilla" ins ZAKK geladen. Dort wurde in Anlehnung an gleichnamiges
Buch über neue linke Öffentlichkeitsstrategien debattiert. Hier
nun eine kritische Auseinandersetzung damit.
Drei Kilo Barthes, zwei Pfund Baudrillard, eine Prise Eco und das Ganze mit che Guevara anmachen ...Ein Kommentar zur KommunikationsguerillaErst einmal Glückwünsche zur sehr gut besuchten Veranstaltung zum Buch der a.f.r.i.k.a.-Gruppe. Wie wohl fast allen im Saal hat mir das Filmmaterial sehr gut gefallen. Die einzelnen Aktionen kann ich jedoch nicht zu einer neuen Aktionsform oder Taktik verbinden. Vielmehr scheint es mir so zu sein, daß in der guten alten Zeit niemand einen solchen Aufwand (Theorielast, Begriffsklauberei) wegen ein bißchen Kreativität und Nachdenken gemacht hätte. Das Neue scheint mir vielmehr zu sein, daß nun zum Selbstzweck erhoben wird, was zuvor seinen Platz in einem umfassenderen Konzept hatte. Kommunikationsguerilla (KG) versucht, aus einem bestimmten Sprachverständnis ein neues politisches Betätigungsfeld zu entwickeln. Die Ruhe im Land wird auf die "symbolische Ordnung" oder die "kulturelle Grammatik" zurückgeführt. Aufklärung - Begründung oder Beweis- können gegen diese Konstruktion von Realität nichts ausrichten. Gegen Kritik und Information ist sie immun. Huxley läßt grüßen. Das einzige, was uns bleibt, ist, die Menschen wachzurütteln. Es reicht meiner Meinung nach aber nicht, Irritation oder das Gefühl "Alles könnte auch anders sein" zum politischen Ziel zu erheben. Zweierlei bleibt dabei auf der Strecke: zum einen die Analyse und zum anderen die Formulierung politischer Ziele. Außerdem halte ich es für einen Hinweis auf die Oberflächlichkeit des Konzepts, wenn eingestanden wird, daß die Prinzipien und Methoden der KG problemlos auch von "den anderen" (Werbung) verwendet werden können. Zentral ist das Konzept der Widersprüche. Diffuse Gewohnheiten und Alltagsroutinen oder die Kulturindustrie und die Massenmedien halten die Menschen davon ab, sich ihrer Widersprüche bewußt zu werden. Genau das leistet KG. Der Begriff "Widerspruch" ist jedoch viel zu allgemein. Wir können doch nicht ernsthaft davon ausgehen, daß politische Lernprozesse in unserem Sinne verlaufen, wenn wir nur gut genug "paradox intervenieren" und so Irritation erzeugen. Es ist doch die Frage, wie Menschen normalerweise reagieren, wenn sie auf die ein oder andere "Widersprüchlichkeit" hingewiesen werden - vielleicht durch Rückzug? Erleben die Menschen überhaupt als "widersprüchlich", was wir darunter verstehen? Kommt es nicht sehr stark darauf an, welche rationalen und irrationalen Begründungen und Ideologien, ökonomischen und politischen Verhältnisse die "Widersprüche" produzieren und stabilisieren? Wenn es um eine Analyse unserer Gesellschaft gehen soll, so ist die Ebene einzelner Menschen doch wohl vor allem die der Wirkung von Politik und Machtverhältnissen. Wenn Sprache in der Analyse nur noch als das basale Machtinstrument zur Schaffung von Akzeptanz vorkommt, so ist sie nur noch ein verlängerter Arm der Herrschaftspsychologie. Verständigung als herrschaftsfreier Prozeß der Handlungskoordinierung wird verabschiedet. Wir sollten dabei bleiben, daß politische Lernprozesse als soziales oder kollektives Handeln stattfinden müssen. Es muß eines unserer wichtigsten Ziele bleiben, daß die Subjekte im Prozeß des Überganges zur herrschaftsfreien Gesellschaft als TeilnehmerInnen vorkommen und nicht als Objekte unserer psychiatrischen Tricks. Letztlich geht es dem Guerillero aber um die politische Praxis. Allerdings ist das Konzept darauf zugeschnitten, die vereinzelten AktivistInnen und Grüppchen in Szene zu setzen, anstatt diese mit einem Diskussionsvorschlag in Richtung strategischer Allianzen zu versorgen. In der Regel bündeln sich die Allianzen aber um politische Forderungen und deren Begründungen in abgrenzbaren politischen Bereichen. Vor dem Hintergrund der Mobilisierungen zum IWF/WB-Gipfel in Berlin, zum WWG in München zur Änderung des Asylrechts, ... ist KG eher ein Rückschritt. Die gescheiterte Mobilisierung zum EU-Gipfel in Essen (gemeint ist nicht nur die Demo) ist der Punkt, an dem weiter diskutiert werden muß. Der kampagnenhafte Politikstil hatte vor allem das Problem, nach einigen Wochen oder Monaten der Aktivität zu versanden. An diesem Problem müßte weiter gearbeitet werden. Es hilft wenig, aus der Not eine Tugend zu machen. Außerdem ist mir unklar geblieben, was sich die Düsseldorfer VeranstalterInnen bei der Planung der Veranstaltung so gedacht haben. Die Diskussion zeigte, daß die Referenten die Düsseldorfer Verhältnisse nicht kennen, und daß sich weder die TERZ-Redaktion noch der Antifa-KoK zuvor mit dem Konzept der KG auseinandergesetzt hatten (vielleicht einzelne). So konnte es kaum eine Debatte geben, die sich darauf bezogen hätte, wie und wo es Anschlußfähigkeit für das Konzept in Düsseldorf gibt (rot-grüne Stadt- und Landesregierung, Medienland NRW, ...). Soweit ich sehe, sind die aktiven Düsseldorfer Gruppen vor allem im Antifa-Bereich oder im Bereich Asyl/Knäste tätig - beides Themen, die selbst von den ReferentInnen nicht als KG-Felder ausgezeichnet wurden. Auf der anderen Seite stehen Dritte-Welt-Gruppen oder Bewegungsorganisationen (BUND, GP, ai), die in den ausgetretenen Pfaden des etablierten Politikmodells verhaftet sind. So nötig natürlich gerade in einer solchen Lage eine Strategiedebatte ist, so sinnlos ist eine Veranstaltung, die an der Situation der Gruppen vorbeigeht. Eine Debatte von VertreterInnen aktiver Gruppen wäre als Abschluß der Veranstaltung sinnvoller gewesen! Mein Vorschlag wäre, sich von der allgemeinen und radikalen Gesellschaftskritik im Kontext politischer Praxis zu verabschieden. Sie wird wahrscheinlich immer zu kontrovers und schwer nachvollziehbar sein. Letztlich bleibt davon in der Öffentlichkeit nur der radikale Gestus übrig. Ich plädiere für die Analyse konkreter Politisierungsprozesse in strategischer Absicht: Welche politische Konstellation hat zur stabilen Parteibildung der Grünen geführt? Wie wichtig ist den Einzelnen ein gewisser nachweisbarer politischer Erfolg ihrer Arbeit? Woher kommen die Bewegungsegoismen? Ist das größere strategische Problem nicht der Reformismus? |
|