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So steht es zu Beginn des "Handbuchs der Kommunikationsguerilla", das in diesen Tagen bei "Schwarze Risse" erscheint. Auf den letzten Seiten des Buchs findet sich eine Anzeige, die für den Reader des Autonomiekongreß´ wirbt. In der steht: "Hat die junge Krankenschwester wirklich ein Verhältnis mit Chefarzt Fleischhauer? Und ist Emil der Mörder des bezaubernden Taxifahrers Jack? Wem gehört der Hund? Und was ist mit Pedro? Spannung, Erotik, Leidenschaft... Das Private ist politisch! Lesen Sie jetzt die romantische Zusammenstellung unvergeßlicher Stunden des Autonomie-Kongresses!"Ganz schön witzig. Was ist bloß auf einmal mit der deutschen Traditionslinken geschehen, daß das letzten Lebenszeichen der westdeutschen Autonomen plötzlich so ober-ulkig angepriesen wird? Davon handelt das "Handbuch der Kommunikationsguerilla". Wie schon Marx lehrte, muß man den versteinerten Verhältnisse ihre eigene Melodie vorspielen, will man sie zum Tanzen bringen. Beziehungsweise das eigene Werk in der bürgerlichen Presse verreißen, um sie a.) vorzuführen und b.) sich selbst ins Gespräch zu bringen. Oder über Autonomentreffen wie über eine Seifenoper reden. Von Demonstrationen, Protesten, Gegenveranstaltungen läßt sich der bürgerliche Staat schon lange nicht mehr aus dem Häuschen bringen. Und im scheinbar schrankenlosen Pluralismus ist ostentatives Anderssein nur noch eine "Option" unter vielen, um in der Gesellschaft des Spektakels auf sich aufmerksam zu machen. Siehe auch -< Love Parade. > "Kommunikationsguerilla" bedeutet darum für die Herausgeber dieses Buches, die "kulturelle Grammatik" von fest definierten Situationen dadurch zu unterminieren, indem man genau das macht, was man machen soll - bloß noch etwas schlimmer. Daß man bei CDU-Veranstaltungen dem Redner so begeistert applaudiert, daß dieser nicht mehr zum Reden kommt. Daß man dem chinesischen Ministerpräsidenten beim Staatsbesuch zujubelt. Oder daß man die doofen Werbeplakate am Straßenrand durch kreative Eingriffe noch etwas doofer macht. Solche Strategien nennt dieses Buch "Kommunikationsguerilla". Es ist ein Programm, daß dem jungen, früh-romatischen Marx genauso sympatisch gewesen wäre wie dem reifen Guy Debord: Durch unauffällige Eingriffe soll das Elend des Alltags in verwirrende Situationen verwandelt werden, die ihren Subjekten den Boden unter den Füßen wegreißen und das Nie-Gedachte denkbar wird. Und zwar auf der Straße genauso wie im neuen öffentlichen Raum der Massenmedien. "Ist die beste Zerstörung nicht die, die Codes
entstellt statt sie zu zerstören?"
"Die Autorinnen haben die Nase voll von der Ausschließlichkeit furztrockenen Flugblattschreibens und dem (letztlich auch autonomen) Dogma, daß Linke bestenfalls über politisches Kabarett lachen dürfen, ansonsten aber zeigen müssen, daß sie das Leid und die Ungerechtigkeit der Welt auf ihren schmächtigen Schultern tragen", steht im Vorwort. "Darum erzählen wir auch viele Geschichten von Ereignissen, ohne sie genau auseinanderzufitzeln und zu theoretischem Trockengemüse zu verarbeiten." Das ist okay. Einen Spaß woll´n sie sich machen, die Kommunikationsguerilleros aus dem "linksradikale Spektrum". Denen hängt es offenbar auch langsam zum Hals raus, daß ihnen immer vorgeworfen wird, sie würden zum Lachen in den Keller gehen und in ewigen "Plena" jede kreative Idee zerreden. Aber woher kommen dann Sätze wie diese: "Gerade jene Aspekte des Bestehenden, die nicht offen ausgesprochen werden dürfen, aber dennoch in der herrschenden symbolischen Ordnungen angelegt sind, müssen affirmiert werden. Diese affirmative Artikulation ist subversiv, denn in die ´Verborgenen Wahrheiten´ der bestehenden symbolischen Ordnung sind deren Bruchstellen von vornherein eingeschrieben; die affirmative Aussprache dieser Wahrheiten macht den Bruch offensichtlich." Und so weiter etcetera pp. Mal abgesehen davon, daß diese barocke Prosa "theoretisches Trockengemüse" von der ödesten Sorte ist - durch das manische Analysieren, Kathegorisieren, Einordnen, das dieses Buch durchzieht, hilft man dem eigenen Anliegen kein Stück weiter. Im Gegenteil: Wenn die Fälschungen, Störungen, Provokationen, von denen das "Handbuch der Kommunikationsguerilla" nur so strotzt, erstmal erläutert sind, weiß man schon gar nicht mehr, was das Ganze überhaupt sollte. "Subversiv" ist anders... So wie ein Witz nicht mehr lustig ist, wenn man ihn erklären muß, so sind auch die Strategien der sogenannten Kommunikationsguerilla in dem Augenblick wertlos, in dem man sie mit deutscher Gründlichkeit auseinandergepfrimelt und noch dem letzten Trottel verklickert hat. Denn durch diesen akademischen Gestus wird genau das kaputt gemacht, was die hier beschriebene Suspendierung des alltäglichen Einerleis mal interessant gemacht hat: ihre Unvorhersehbarkeit und die offenen Situationen, die sie eigentlich provozieren soll. Was vielleicht irgendwann mal wirklich aufregend und disruptiv war, kommt einem hier plötzlich etwa so subversiv vor, wie das ewig Pfurzkissen, das Stefan Raab in "Vivasion" immer seinen Studiogästen unter den Hintern schiebt. Im "Handbuch der Kommunikationsguerilla" hätte so eine "Intervention" wahrscheinlich noch drei Fußnoten. Und schlimmer noch: In dem Augenblick, in dem solche Störungen klassifiziert und akademisch dingfest gemacht sind, steht ihnen das grausamste Schicksal bevor, das einer guten Idee blühen kann: Die Universität mit ihrem großen Magen eignet sie sich an. Von diesem "Handbuch" ist es nur noch ein kleiner Schritt zu hippen Proseminaren "Zu Strategie und Praxis der Kommunikationsguerilla". Demnächst auch an Ihrer Fakultät, oder auch in der "Zeit" und bei arte nach 22 Uhr. Nicht umsonst hat sich Guy Debord immer mit der Veröffentlichung kryptischer Aphorismen begnügt... Die "Kommunikationsguerilleros", denen wir das Handbuch verdanken, haben die Mechanismen, mit denen die "Gesellschaft des Spektakels" operiert, vielleicht doch noch nicht so gut verstanden, wie sie meinen. Wahrscheinlich haben sie gar nichts Böses gewollt, als sie die hier beschriebenen Methoden der allgemeinen Lesbarkeit ausgeliefert haben. Aber sie könnten die ersten sein, die sich wünschen, daß die apokryphen Dinge, die sie in ihrem Buch beschreiben, für immer apokryph geblieben wären. Manche Sachen hängt man einfach nicht an die große Glocke. Und plötzlich Fun ist doch noch - oder schon wieder? - ein Stahlbad... autonome a.f.r.i.k.a. gruppe, Luther Blissett/Sonja
Brünzel: Handbuch der Kommunikationsguerilla, Verlag schwarze Risse/Rote
Straße, 29.80 Mark
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